Am 10. und 11. Dezember 1982 versammelten sich auf Einladung des damaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl Repräsentanten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft – darunter über hundert Spitzen-Manager deutscher Unternehmen – zum 3. Berliner Wirtschaftsgipfel, dessen entscheidende Beratungen im Berliner Reichstagsgebäude stattfanden. Mit den Wirtschaftskonferenzen verfolgte die Bundesregierung das Ziel, den Forschungs- und Industriestandort Deutschland und insbesondere die Stadt Berlin zu stärken. Im Hinblick auf Berlin sollten bei den Unternehmen im damaligen Bundesgebiet eine Bewusstseinsveränderung herbeigeführt und entsprechende Entscheidungen zugunsten der ehemaligen Hauptstadt initiiert werden. Nicht zuletzt sollte ein gewisser Zukunftsoptimismus von der Konferenz ausgehen, die auch durch die Gewerkschaften und den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Hans-Jochen Vogel unterstützt und aus dem Wahlkampf zum Bundestag herausgehalten wurde, nicht aber aus der Ost-West-Konfrontation: Die damalige sowjetische Nachrichtenagentur TASS bezeichnete die Konferenz als „Provokation“. Helmut Kohl entgegnete (zitiert in der Berliner Morgenpost vom 12. Dezember 1983): „Wir sind hierher gekommen, um Berlin zu helfen und ein Werk des Friedens zu leisten.“ Die Konferenzen waren auch eine Referenz an den schon damals starken Wissenschaftsstandort Berlin. Sein „geistiges Kapital“ sollte noch stärker genutzt werden, zudem Berlin leichte Vorteile bei der Qualifikation der Beschäftigten aufweisen konnte. Die Berliner Forschungsergebnisse sollten so im Sinne des Technologie-Transfers in hochwertige Industrieerzeugnisse umgesetzt werden. Erklärtes Ziel war es, innovative Branchen anzusiedeln und „Keimzellen“ für weitere qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Die Ergebnisse der 3. Wirtschaftskonferenz lagen über den Erwartungen: Es wurden über tausend potenzielle neue Arbeitsplätze hochgerechnet. So gab es zu dieser Zeit sogar Überlegungen von Volkswagen, die eigene Fertigung von Robotern – damals teilweise noch „Handhabungsgeräte“ genannt – nach Berlin zu verlegen. Tatsächlich wurden auf der Konferenz nicht nur positive Absichtserklärungen, sondern konkrete Entscheidungen gefällt und Initiativen zur Gründung von Unternehmen angekündigt. Eine davon war die Gründung von inpro.

 

Die Firmen Daimler-Benz, BMW, VW und Siemens signalisierten ihr Interesse an einer Gesellschaft, in der gemeinsam Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet zukunftsorientierter Produktionsverfahren betrieben wird. Auf der Konferenz erklärten die Vorstandsvorsitzenden Dr. Carl H. Hahn (Volkswagen AG), Dr. Karlheinz Kaske (Siemens AG), Dr. Eberhard von Kuenheim (BMW AG) und Dr. Gerhard Prinz (Daimler-Benz AG) feierlich gegenüber dem Bundeskanzler, gemeinsam Anstrengungen auf dem Gebiet innovativer Produktionstechnik vornehmen zu wollen und zu diesem Zweck in Berlin eine Innovationsgesellschaft zu gründen. In der Folgezeit wurde das Projekt von Prof. Günter Spur und von Vertretern der beteiligten Firmen weiter vorangetrieben. In einem Gründungsgespräch am 20. Januar 1983 wurde zunächst die Bezeichnung „Innovationsgesellschaft für Maschinenintelligenz“, kurz IMI, für die Gesellschaft diskutiert. Schließlich entschied man sich jedoch für den Firmennamen „inpro“. Als weltweit vergleichbare Institutionen wurden z.B. das Robot Institute of America, das Hudson Institute (New York, USA), die RAND Corporation (USA) oder das MITI (Tokio, Japan) genannt. Es wurde betont, dass die deutsche Automobilwirtschaft nur im Wettbewerb bestehen kann, wenn technologische Spitzenleistungen erbracht werden. Technologische Innovationen in der Produktionstechnik wurden als Schlüssel für die „Automobilfabrik von morgen“ gesehen. Die „Entwicklung neuzeitlicher Produktionssysteme“ galt als Querschnittsaufgabe, die zwar von jeder Automobilfirma gelöst werden müsste, aber gemeinsam zu erarbeitende Teilaufgaben enthält. Hier war der Verweis auf Japan entscheidend, wo gerade zu dieser Zeit die Technologieentwicklung zwar von privaten Firmen realisiert wurde, aber auf staatliche Unterstützung mit hohem Qualitätsanspruch zählen konnte und mit der eine branchenbezogene Grundlagenforschung vorangetrieben wurde. Über die technologisch orientierten „Denkgesellschaften“ in den USA hieß es in der Tischvorlage zum Gründungsgespräch, dass sie „sich in einer äußerst industrialisierten, intellektuellen Denkweise auf Zukunftsmodelle konzentriert haben.” Unter Nutzung modernster Computertechnik würden diese Gesellschaften auch an Optimierungen und Simulationsrechnungen für komplexe Probleme arbeiten. Dies seien Arbeitsgebiete, die man bisher in Deutschland vernachlässigen würde. Gerade der erste Namensvorschlag einer „Innovationsgesellschaft für Maschinenintelligenz“ verwies auf die aufkommenden Potenziale der Mikroelektronik in der industriellen Produktion – mit Möglichkeiten, durch „Maschinenintelligenz als strukturprägendem Element moderner Produktionstechnik“ neue bzw. zukünftige Fabriken zu gestalten. Neben der Prozessautomatisierung wurden auch die dezentrale Informationsverarbeitung für die Planung oder neue Einsatzgebiete für Industrieroboter erörtert. Ziel war es, über die gemeinsamen Anstrengungen von Herstellern, Anwendern, Forschungsinstitutionen und staatlichen Stellen „systematisierte Problemlösungen mit komplexer Technologie“ zu erreichen. Im Frühjahr 1983 wurde noch einmal herausgestellt, dass der Akzent auf dem produktionstechnischen Sektor liegen sollte, „Ausstrahlungen auf das Gebiet des Produktes“ aber teils unvermeidlich seien. Zudem wurde die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Automobilfirmen als zentrales Ziel betont.

 

Am 15. Juni 1983 wurde schließlich in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker und der Senatoren Elmar Pieroth (Wirtschaft) und Gerhard Kunz (Finanzen) die Gründung der „Innovationsgesellschaft für fortgeschrittene Produktionssysteme in der Fahrzeugindustrie mbH“ von Repräsentanten der Firmen Daimler-Benz, BMW, VW und Siemens bekannt gegeben. Die Bedeutung der Firmengründung für die Gesellschafter wurde durch die Besetzung des ersten Aufsichtsrates deutlich: Die Automobilkonzerne entsandten – laut Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Juni 1983 – „ihre Produktionschefs“: Die Daimler-Benz AG das Vorstandsmitglied Prof. Werner Niefer, die Volkswagen AG das Vorstandsmitglied Dr. Günter Hartwich, die BMW AG das Vorstandsmitglied Hans Koch und die Siemens AG den Generalbevollmächtigten Dr. Siegfried Waller. Zum Gründungsgeschäftsführer wurde der renommierte Hochschullehrer, Produktionsspezialist der TU Berlin und Leiter des Fraunhofer-Instituts IPK, Professor Günter Spur, bestimmt. Der 1. Juli 1983 war der offizielle Beginn der Tätigkeit der neuen Gesellschaft. inpro war damit eines der realisierten „Schlüsselprojekte“ des 3. Berliner Wirtschaftsgipfels von Ende 1982 und auch als Initialzündung für weitere Aktivitäten in Berlin gedacht. Die vor allem als „Denkfabrik“ und weniger als Entwicklungslabor angelegte Konstruktion war – zumindest in Deutschland – ohne Vorbild. Die Gesellschaft sollte Forschungs- und Ingenieurarbeit leisten, aber selbst kein Produktionsunternehmen sein. Die Gesellschafter erwarteten Anstöße für die eigene F&E, die sonst aus verschiedenen Gründen nicht zum Durchbruch gelangen würden. In der Kooperation sollte technisches Know-how erzeugt werden, das anders nicht oder nur sehr schwierig zu gewinnen wäre. Die wichtigste Aufgabe bzw. das zentrale Thema der Gesellschaft sollte die Entwicklung der Produktionstechnik und der Produktionssysteme für die „Automobilfabriken der 1990er Jahre“ sein. Die Berliner Morgenpost titelte am 16. Juni 1983: „Forschungsgesellschaft gegründet: Innovationen aus Berlin für den Automobilbau.“ Als Schwerpunkte der Arbeit wurden 1983 zunächst die Sensortechnik, die Roboterprogrammierung, die Simulation von Produktionssystemen und Expertensysteme definiert. Entsprechend dem Zeitgeist wurde unter Expertensystemen in manchen Veröffentlichungen der Presse sogar „eine dialogfähige Zusammenfassung des vorhandenen Wissens im Bereich Automobilbau in einem Computer“ verstanden. Die Gesellschafterfirmen beschlossen, diese vier Schwerpunkte in absehbarer Zukunft gemeinsam zu bearbeiten. Im ersten Protokoll des Projektausschusses vom 2. März 1983 wurden neben den vier Schwerpunkten noch die Themen Zuverlässigkeit von Systemen, Integrationssysteme für die Fertigungssteuerung, Montageautomatisierung sowie rechnerunterstützte Konstruktion und Arbeitsplanung genannt.

Neben der Bearbeitung von Querschnittsaufgaben in der Produktionstechnik wurde die schnelle und qualifizierte Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis als Prinzip hervorgehoben. In der privatwirtschaftlichen Arbeit der Gesellschaft sollte eine intensive Zusammenarbeit mit den Hochschulen und sonstigen Forschungseinrichtungen erfolgen, jedoch keine Integration mit bestehenden Institutionen stattfinden. In der Öffentlichkeit und bei den Gesellschaftern wurden in dieser Zeit verschiedene Schwerpunkte der Arbeit hervorgehoben: Neben der Bereitstellung von „Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI) für komplexe Fertigungsprozesse“ wurde die „Abkürzung der Planungsdauer in der Automobilherstellung“, an der sich die „Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen“ entscheide, häufig in der Presse kolportiert. Zudem wurde der „Schwerpunkt der Entwicklung fortschrittlicher Montagesysteme“ genannt. Immer wieder wurde angesprochen, dass sich inpro „Gedanken über die Fabrik der Zukunft“ machen und „neue, kreative Ideen vorantreiben“ soll.Es begann ein schrittweiser Aufbau der neuen Gesellschaft auf zunächst ca. 25 Mitarbeiter. Projektleiter der Schwerpunkte sollten technische Spezialisten aus den beteiligten Firmen sein, um den Bezug zur Praxis der Automobilfertigung herzustellen. Von Anfang an bestanden enge Beziehungen zum nahe liegenden Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK), das von Professor Günter Spur geleitet wurde und das sich in dieser Zeit ebenso mit Expertensystemen für produktionstechnische Aufgaben befasste wie das Fraunhofer-Institut für Automation und Organisation (IAO) – damals unter der Leitung von Professor Hans-Jörg Bullinger. Erste Verbindungen zu anderen Forschungsinstitutionen wurden geknüpft. Die eigentliche produktive Arbeit wurde zum Jahresanfang 1984 aufgenommen.